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Brief für Steuerpflichtige im Privatbereich des Monats November 2010


Sehr geehrte Damen und Herren,


der Ihnen nun vorliegende Brief möchte Sie über wesentliche, vollzogene oder geplante Änderungen im Steuer- und Wirtschaftsrecht der letzten Monate informieren und Ihnen Anlass bieten, auch bestehende Sachverhalte zu überprüfen.

Bitte lesen Sie im Einzelnen:


Inhalt

1.

Erbschaftsteuer: Wie ist die Pensionszusage an Gesellschafter-Witwe zu behandeln?

2.

Mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung ist unwirksam

3.

Mangold-Urteil: keine Kompetenzüberschreitung des EuGH

4.

Rechtswidrige Vollstreckungsmaßnahmen unterbrechen Zahlungsverjährung

5.

Minirabatte durch Apotheken zulässig

6.

Eilantrag gegen Abberufung aus Aufsichtsrat einer Stadt-GmbH

7.

Zweckgebundenheit von Gesellschafterdarlehen begründet keine Verzinslichkeit

8.

Abgrenzung "Handwerkerleistungen" zu "haushaltsnahen Dienstleistungen"

9.

Unterhaltszahlungen an im Ausland lebende Verwandte

10.

Steuerfreiheit für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeitszuschläge

11.

Absetzbarkeit alternativer Heilbehandlungen

12.

Kfz-Nutzung: 1 %-Methode nur wenn Arbeitgeber private Nutzung zulässt

13.

Keine einzelvertragliche Kürzung gesetzlicher Kündigungsfristen

14.

Kinder müssen Elternunterhalt trotz Streit und fehlendem Kontakt leisten

15.

Vertragliche Pflichtverletzung bei Abwerben von Patienten zur Konkurrenz

16.

Geringere Abfindungshöhe durch schuldrechtliche Nebenabrede

17.

Solidaritätszuschlagsgesetz für Veranlagungszeitraum 2007 ist nicht verfassungswidrig



1. Erbschaftsteuer: Wie ist die Pensionszusage an Gesellschafter-Witwe zu behandeln?

Kernfrage
Erhält die Witwe eines Gesellschafters eine Witwenversorgung durch die Gesellschaft, weil der Gesellschafter eine Pensionszusage erhalten hatte, stellt sich die Frage, ob dieser Erwerb mit seinem kapitalisierten Barwert der Erbschaftsteuer zu unterwerfen ist oder ob für die Witwenversorgung die Begünstigungen für Betriebsvermögen (hier: nach alten Erbschaftsteuerrecht) gelten. Der Bundesfinanzhof hatte über diese Frage nunmehr bei einer Witwe, die allerdings Mitunternehmerin im Sinne des Ertragsteuerrechts war, zu entscheiden.

Sachverhalt
Die Klägerin wurde Alleinerbin ihres Ehemanns, mit dem sie im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt hatte. Er war persönlich haftender Gesellschafter einer KG und als solcher mit 76 % am Gesellschaftsvermögen beteiligt. Kommanditisten waren im Todeszeitpunkt die Klägerin mit 2 % und ein Dritter mit 22 %. Die KG hatte dem Ehemann eine Pensionszusage erteilt, die eine Witwenpension von 60 % vorsah. In der Steuerbilanz wies die KG für die Pensionszusage an den Ehemann Rückstellungen in Höhe von rd. 425.000 DM aus. Das beklagte Finanzamt berücksichtigte bei der Erbschaftsteuerveranlagung zwar eine fiktive Zugewinnausgleichsforderung als steuerfrei, unterwarf die Witwenpension aber mit ihrem kapitalisierten Barwert von rd. 2,1 Mio. DM der Erbschaftsteuer.

Entscheidung
Mit der hiergegen gerichteten Klage hatte die Klägerin Erfolg. Zwar war die Witwenpension der Erbschaftsteuer zu unterwerfen, weil nur vertragliche Versorgungsansprüche von Erben eines Arbeitnehmers nicht zur Erbschaftsteuer heranzuziehen sind. Der Witwenpensionsanspruch war aber nicht mit dem kapitalisierten Wert anzusetzen, sondern vielmehr, weil es sich um Sonderbetriebseinnahmen der Witwe handelte, mit dem Steuerbilanzwert, also dem Wert der Rückstellung. Allerdings war der Pensionsanspruch als ein zivilrechtlich dem Versorgungsausgleich unterliegender Anspruch bei der Berechnung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung nicht zu berücksichtigen.

Konsequenz
Die Grundsätze der Entscheidung gelten für das Erbschaftsteuerrecht vor Inkrafttreten der Erbschaftsteuerreform. Ob die Witwenpension nach der Erbschaftssteuerreform noch zum begünstigten produktiven Betriebsvermögen gezählt werden kann, bleibt abzuwarten.


2. Mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung ist unwirksam

Kernfrage
Eine mit falscher Kündigungsfrist ausgesprochene Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist dem Grunde nach unwirksam. Soweit ausreichende Anhaltspunkte bestehen, wird eine solche unwirksame Kündigung in einer Kündigung zum nächst zulässigen Zeitpunkt umgedeutet. Das Bundesarbeitsgericht hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob eine mit falscher, nämlich zu kurzer, Kündigungsfrist ausgesprochene Kündigung auch dann unwirksam ist, wenn sie nicht in eine Kündigung zum nächst zulässigen Zeitpunkt umgedeutet werden kann und der Arbeitnehmer nicht mit Kündigungsschutzklage gegen sie vorgeht.

Sachverhalt
Der beklagte Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers im April 2008 mit zu kurzer Kündigungsfrist, weil ein Betriebsübergang unzutreffend berücksichtigt worden war. Im November 2008 klagte der Arbeitnehmer auf Leistung der Annahmeverzugsvergütung für die Monate August und September mit der Begründung, die Kündigungsfrist habe 5 und nicht, wie vom Arbeitgeber angenommen, 3 Monate betragen.

Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht urteilte, dass die vom Arbeitgeber gewählte Kündigungsfrist zu kurz sei. Gleichwohl blieb die Klage ohne Erfolg. Denn die vom Arbeitgeber erklärte Kündigung konnte weder nach ihrem Inhalt noch nach den sonstigen Umständen als eine Kündigung zum nächstzulässigen Zeitpunkt umgedeutet werden. Der Kläger hätte deshalb innerhalb der gesetzlichen 3-Wochen-Frist Kündigungsschutzklage erheben müssen. Da dies nicht erfolgt sei, habe die Kündigung das Arbeitsverhältnis zum erklärten Termin aufgelöst und eine Annahmeverzugsvergütung verhindert.

Konsequenz
Für den Arbeitnehmer bedeutet die Entscheidung, dass er jede Art der Kündigung mit Kündigungsschutzklage angreifen muss, um nicht Gefahr zu laufen, dass eine dem Grunde nach unwirksame Kündigung in "Rechtskraft" erwächst.


3. Mangold-Urteil: keine Kompetenzüberschreitung des EuGH

Kernfrage/Rechtslage
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte bereits im Jahr 2005 eine Norm des deutschen Arbeitsrechts, nach der die Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern, die älter als 52 Jahre waren, langfristig sachgrundlos befristet werden konnten, für europarechtswidrig erklärt. Das damalige Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht ruhte. Nach der Entscheidung des EuGH entschied das Bundesarbeitsgericht zugunsten des Arbeitnehmers und entfristete das Arbeitsverhältnis. Es urteilte zudem, dass den Arbeitgebern kein Vertrauensschutz zu gewähren sei.

Sachverhalt
Gegen das Urteil des Bundesarbeitsgerichts wandte sich der Arbeitgeber mit Verfassungsbeschwerde und machte geltend, das Bundesarbeitsgericht habe sich unzulässigerweise auf die Entscheidung des EuGH, der insoweit seine Kompetenzen überschritten habe, gestützt, und darüber hinaus rechtswidrig keinen Vertrauensschutz gewährt.

Entscheidung
Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde des Arbeitgebers zurückgewiesen. Der EuGH habe in seiner Grundsatzentscheidung keine Kompetenzen verletzt, als er aus Gemeinschaftsrecht den allgemeinen Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung hergeleitet habe. Es liege auch keine Verletzung der Vertragsfreiheit vor, weil das Bundesarbeitsgericht keinen Vertrauensschutz gewährt habe. Das Vertrauen in den Fortbestand eines Gesetzes könne nicht nur durch die rückwirkende Feststellung seiner Nichtigkeit durch das Bundesverfassungsgericht, sondern auch durch die rückwirkende Feststellung seiner Nichtanwendbarkeit durch den EuGH berührt werden. Vertrauensschutz könne von den mitgliedstaatlichen Gerichten demnach nicht dadurch gewährt werden, dass sie eine nationale Regelung, deren Unvereinbarkeit mit Unionsrecht festgestellt wurde, für die Zeit vor Erlass der Vorabentscheidung anwenden. Denkbar wäre allenfalls, den verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz bei rückwirkender Nichtanwendbarkeit eines Gesetzes infolge einer Entscheidung des EuGH innerstaatlich durch eine Entschädigung zu sichern.

Konsequenz
Das Urteil zeigt die Reichweite der Entscheidung des EuGH in die einzelnen Mitgliedstaaten hinein. Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist der Rechtstreit abgeschlossen. Ob der Gesetzgeber nunmehr die streitauslösende Norm aus dem Teilzeit- und Befristungsgesetz streicht, was er bisher nicht getan hat, bleibt abzuwarten.


4. Rechtswidrige Vollstreckungsmaßnahmen unterbrechen Zahlungsverjährung

Kernaussage
Auch eine rechtswidrige, nichtige oder rückwirkend aufgehobene Vollstreckungsmaßnahme des Finanzamts kann die Zahlungsverjährung (§ 231 Abs. 1 Satz 1 AO) unterbrechen, wenn sich aus der Maßnahme die Entschlossenheit des Finanzamts zur Durchsetzung der Steuerforderung ergibt.

Sachverhalt
Die Kläger schulden dem beklagten Finanzamt Steuerzahlungen. Da die Beträge nicht bezahlt wurden, hat der Beklagte die Kläger zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung geladen. Der Termin wurde jedoch später wieder aufgehoben und das Vollstreckungsverfahren eingestellt, weil die Kläger bereits kurz zuvor eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hatten und eine erneute Abgabe nicht verlangt werden durfte (§ 284 Abs. 4 Satz 1 AO). Als später neue Vollstreckungsmaßnahmen ergingen, beriefen sich die Kläger auf die Verjährung der Steuerforderungen, denn das Verlangen der eidesstattlichen Versicherung habe die Verjährungsfrist nicht unterbrochen, da die Vollstreckungsmaßnahme offensichtlich rechtswidrig und damit nichtig gewesen sei. Ferner sei sie vom Beklagten als von Anfang an rechtswidrig aufgehoben worden.

Entscheidung
Die Klage blieb in beiden Instanzen erfolglos. Auch eine offensichtlich rechtswidrige behördliche Verfügung ist grundsätzlich nicht ohne Rechtswirkung und damit nichtig. Auch wirkt die Aufhebung einer solchen Verfügung nicht ohne weiteres in die Vergangenheit zurück. Sie lässt also eine einmal eingetretene Rechtswirkung, wie die Unterbrechung der Zahlungsverjährung, nicht ohne weiteres entfallen. Vor allem haben auch rechtswidrige Vollstreckungsmaßnahmen die Wirkung, die Zahlungsverjährung zu unterbrechen, wenn sich aus ihnen die Entschlossenheit des Finanzamts ergibt, seine Steuerforderungen durchzusetzen. Wenn die Geltendmachung eines Anspruchs durch schlichte Erklärung die Verjährungsfrist unterbricht, muss auch ein rechtswidriger Vollstreckungsakt, der eine solche Geltendmachung beinhaltet und die darüber hinaus beabsichtigen Rechtswirkungen nicht herbeiführen kann, eine solche Unterbrechungswirkung haben.

Konsequenz
Steuerforderungen verjähren innerhalb von 5 Jahren nach Festsetzung der Steuer. Diese Zahlungsverjährung wird jedoch unterbrochen und die Frist beginnt von neuem, wenn das Finanzamt gegen den Zahlungspflichtigen Vollstreckungsmaßnahmen einleitet, selbst wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig oder nichtig oder rückwirkend aufgehoben worden ist. Sämtliche Maßnahmen des Finanzamtes sind daher genau zu untersuchen.


5. Minirabatte durch Apotheken zulässig

Kernaussage
Die Grundsatzfrage, ob Apotheken mit Gutscheinen oder Geschenken von geringem Wert um Kunden werben dürfen, war lange Zeit umstritten. Der BGH entschied nun, dass ein Preisnachlass von 1 EUR pro Medikament zulässig ist; eine genaue Obergrenze wurde noch nicht festgelegt, Geschenke im Wert von 5 EUR sind aber unzulässig.

Sachverhalt
Die unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs (§ 4 Nr. 11 UWG) und der unangemessenen Kundenbeeinflussung (§ 4 Nr. 1 UWG) auf Unterlassung in Anspruch genommenen Apothekeninhaber gewährten ihren Kunden beim Bezug von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nach unterschiedlichen Systemen Preisnachlässe, die Rückerstattung der Praxisgebühr, Einkaufsgutscheine oder Prämien. Die Kläger, die Wettbewerbszentrale sowie Mitbewerber der Beklagten, sahen darin Verstöße gegen die im Arzneimittelrecht enthaltenen Preisbindungsvorschriften und das im Heilmittelwerberecht geregelte Verbot von Werbeabgaben. Die Vorinstanzen hatten die Beanstandungen für begründet erachtet, die Revisionen blieben vor dem BGH weitestgehend erfolglos.

Entscheidung
Der BGH sieht einen Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung nicht nur dann als gegeben an, wenn der Apotheker ein preisgebundenes Arzneimittel zu einem anderen als dem nach der Arzneimittelpreisverordnung zu berechnenden Preis abgibt. Er bejaht einen solchen Verstoß auch dann, wenn für das Arzneimittel zwar der korrekte Preis angesetzt wird, dem Kunden aber gekoppelt mit dem Erwerb Vorteile gewährt werden, die diesen für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen. Die arzneimittelrechtlichen Preisregelungen sollen die flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneien sicherstellen. Sie sind Marktverhaltensregeln, die den (Preis-)Wettbewerb unter den Apothekern regeln sollen und erlauben grundsätzlich keine Rabatte. Das beanstandete Verhalten der beklagten Apotheker ist aber nur dann geeignet, die Interessen der Mitbewerber zu beeinträchtigen, wenn keine zulässige Werbeabgabe vorliegt (§ 7 HWG). Zulässig ist eine Werbeabgabe im Wert von 1 EUR, nicht aber eine solche im Wert von 5 EUR.

Konsequenz
Die Frage, ob das deutsche Arzneimittelpreisrecht auch für im Wege des Versandhandels nach Deutschland eingeführte Arzneimittel gilt, wird derzeit vom Gemeinsamen Senat der der obersten Gerichtshöfe des Bundes geklärt. Der BGH sieht sich an einer Bejahung der Frage zurzeit noch durch ein Urteil des Bundessozialgerichts gehindert.


6. Eilantrag gegen Abberufung aus Aufsichtsrat einer Stadt-GmbH

Kernaussage
Das Verwaltungsgericht Koblenz hatte kürzlich die Frage zu klären, ob ein Antrag eines Aufsichtsratsmitglieds auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wegen seiner Abberufung zulässig ist, wenn nur der Stadtrat als Organ der Alleingesellschafterin der GmbH über die Abberufung beschlossen hat, nicht aber deren zuständige Gesellschafterversammlung.

Sachverhalt
Der Antragsteller wurde nach der Kommunalwahl 2009 vom Bad Kreuznacher Stadtrat in den Aufsichtsrat zweier GmbHs der Stadt gewählt. Ende 2009 beschloss der beklagte Stadtrat, ihn aus beiden Gremien wieder abzuberufen. Die Entscheidung wurde ihm im Juni 2010 mitgeteilt. Der Antragsteller erhob sodann Klage auf Feststellung, dass der Beschluss unwirksam sei. Gleichzeitig begehrte er vorläufigen Rechtsschutz mit dem Ziel, bis zur gerichtlichen Entscheidung über die Klage, die Wahrnehmung seiner Rechte und Pflichten als Aufsichtsrat beider Gesellschaften zu ermöglichen. Der Antrag blieb erfolglos.

Entscheidung
Das Verwaltungsgericht hielt den Antrag bereits für unzulässig, da nach den Gesellschaftsverträgen der beiden städtischen Gesellschaften die Wahl und Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder der jeweiligen Gesellschafterversammlung obliegt. Auch wenn eine Bindung der GmbHs an "wirksame" Beschlüsse des Stadtrats gegeben sein sollte, folge daraus, dass der Beschluss des Stadtrats alleine nicht zum Verlust der Aufsichtsratsmandate führe. Vielmehr bedürfe es hierfür noch der Umsetzung durch eine selbstständige Entscheidung der Gesellschafterversammlung, die erst Gegenstand einer Anfechtung durch den Antragsteller sein könne.

Konsequenz
Der verwaltungsgerichtliche Beschluss ist noch nicht rechtskräftig und kann mit der Beschwerde angefochten werden.


7. Zweckgebundenheit von Gesellschafterdarlehen begründet keine Verzinslichkeit

Kernproblem
Ermittelt ein Steuerpflichtiger seinen Gewinn durch Vermögensvergleich, so sind Verbindlichkeiten und Rückstellungen unter bestimmten Voraussetzungen (ausnahmsweise) abzuzinsen. Dies ist der Fall, wenn die Verbindlichkeit bzw. Rückstellung eine Laufzeit von mehr als 12 Monaten aufweist und unverzinslich ist. Streitig war bislang, ob diese Grundsätze auch bei Gesellschafterdarlehen gelten und ob in der Zweckbindung des (Gesellschafter-) Darlehens eine Verzinslichkeit gesehen werden kann.

Sachverhalt
Die Gesellschafter einer GmbH gewährten dieser zur Erweiterung des Betriebs ein Darlehen. Eine Verzinsung des Darlehens war nicht vorgesehen. Die GmbH nahm eine Abzinsung des Darlehens nicht vor, da ihrer Ansicht nach das Abzinsungsgebot für Gesellschafterdarlehen grundsätzlich nicht gilt und - sofern dies anders zu beurteilen sei - die Zweckbestimmung (= Erweiterung des Betriebs) einer Verzinsungspflicht gleichstehe. Weder die Betriebsprüfung noch das Finanzgericht folgten dieser Auffassung, auch die Revision der klagenden GmbH vor dem BFH blieb erfolglos.

Entscheidung
Der BFH bestätigte zum Einen seine bisherige Rechtsprechung, wonach der Gesetzeswortlaut und -zweck keinen Ausschluss der Gesellschafterdarlehen von der Abzinsungspflicht begründet. Zum Anderen sei in der Zweckbestimmung auch keine Verzinslichkeit zu sehen, da eine Zweckbestimmung nichts daran ändere, dass der Zinsvorteil der GmbH ungeschmälert zugute komme. Da die Darlehenslaufzeit unbestimmt war, stimmte der BFH des Weiteren der Vorinstanz zu, dass der Barwert mit dem Faktor 9,3 zu berechnen sei (§ 13 Abs. 2 BewG). Die von der klagenden GmbH angeführten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Abzinsungsgebot teilte der BFH ebenfalls nicht.

Konsequenz
Die Gewährung unverzinslicher Darlehen führt beim Darlehensnehmer zu steuerpflichtigen Erträgen, wenn die Laufzeit des Darlehens mehr als 12 Monate beträgt. Dies gilt unabhängig davon, wer das Darlehen gewährt (Dritter oder nahestehende Person) oder ob es zweckgebunden ist. Die durch die Abzinsung bedingte Gewinnerhöhung kann in Einzelfällen gewünscht sein, z. B. um in Verlustsituationen Aufwendungen in kommende Jahre zu verschieben. Ist die Abzinsung bzw. die damit einhergehende Gewinnerhöhung indes nicht gewollt, so empfiehlt sich unter Umständen eine geringfügige Verzinsung (nahe 0 %). Ob hierin ein Gestaltungsmissbrauch gesehen werden kann, ist - soweit ersichtlich - bislang vom BFH offen gelassen worden.


8. Abgrenzung "Handwerkerleistungen" zu "haushaltsnahen Dienstleistungen"

Kernproblem
Werden Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, haushaltsnahe Dienstleistungen oder Handwerkerleistungen getätigt, kommt eine Steuerermäßigung auf die Einkommensteuer in Betracht. Nach der heutzutage geltenden gesetzlichen Regelung sind für die 3 genannten Aufwandsarten gesonderte Fördermöglichkeiten nebeneinander möglich, die auf Höchstbeträge gedeckelt sind. Von daher kann eine Unterscheidung von Bedeutung sein, wenn einer der Höchstbeträge überschritten wird. So war es auch im Streitfall.

Sachverhalt
Die Steuerpflichtigen ließen im Jahr 2006 durch einen Handwerksbetrieb Maler- und Tapezierarbeiten im Treppenhaus und im Flur der 1. Etage des von Ihnen bewohnten Hauses für 3.000 EUR ausführen. Besondere handwerkliche Fertigkeiten und Kenntnisse waren zur Ausführung dieser Arbeiten nicht erforderlich. Davon unabhängig wurde der Eingangsbereich des Hauses durch einen anderen Handwerker für 2.320 EUR neu gestaltet. Diese Arbeiten erforderten handwerkliche Fähigkeiten und Kenntnisse. Nach der im Streitjahr geltenden Gesetzeslage war sowohl für haushaltsnahe Dienstleistungen als auch Handwerkerleistungen ein Betrag von jeweils bis zu 3.000 EUR (davon 20 % Steuerermäßigung) begünstigt. Das Finanzamt sah jedoch den gesamten Aufwand als Handwerkerleistung an und gewährte eine Steuerermäßigung von insgesamt 600 EUR, anstatt 1.064 EUR.

Entscheidung des BFH
Der BFH ist der Auffassung, dass es sich bei Maler- und Tapezierarbeiten an Innenwänden und Decken nicht um hauswirtschaftliche Tätigkeiten handelt, die als haushaltsnahe Dienstleistungen begünstigt sind, sondern um handwerkliche Tätigkeiten. Dies ergebe sich auch aus der historischen Entwicklung der Vorschrift: Zwar wurden nach der bis 2005 geltenden Gesetzesfassung, die noch keine Begünstigung von (qualifizierten) Handwerkerleistungen vorsah, auch Schönheitsreparaturen oder kleine Ausbesserungsarbeiten als sog. einfache Handwerkerleistungen den haushaltsnahen Dienstleistungen zugerechnet. Ab 2006 sehe das Gesetz aber eine solche Unterscheidung nicht mehr vor, so dass sämtliche Handwerkertätigkeiten zusammenzufassen seien. Es verblieb somit bei der vom Finanzamt gewährten Steuerermäßigung.

Konsequenz
Nach der aktuellen Gesetzesfassung ist die Unterscheidung immer noch von Relevanz, wenngleich mit wesentlich höheren Abzugsbeträgen.


9. Unterhaltszahlungen an im Ausland lebende Verwandte

Kernproblem
Gezahlte Unterhaltsaufwendungen können steuerlich als außergewöhnliche Belastungen Berücksichtigung finden, wenn die unterhaltene Person gegenüber dem Steuerpflichtigen gesetzlich unterhaltsberechtigt ist. Das sind die Personen, denen gegenüber der Steuerpflichtige nach dem Zivilrecht unterhaltsverpflichtet ist, wie z. B. Verwandte in gerader Linie (Kinder, Enkel, Eltern) oder der Ehegatte. Eine Unterhaltsberechtigung setzt allerdings die Unterhaltsbedürftigkeit der unterhaltenen Person voraus. Der BFH hatte nach seiner bisherigen Rechtsprechung im Rahmen einer typisierenden Betrachtungsweise die Bedürftigkeit der unterstützten Person dem Grunde nach unterstellt (sog. abstrakte Betrachtungsweise). Diese Rechtsprechung hat er nun modifiziert bzw. aufgegeben. Zu unterscheiden gilt es nach Unterhaltszahlungen an den Ehegatten oder andere Familienangehörige.

Sachverhalt 1: bedürftiger Ehegatte
Im entschiedenen Fall unterstützte der Steuerpflichtige seine nicht berufstätige Ehefrau, die mit den in Ausbildung befindlichen Kindern in Bosnien-Herzegowina lebte. Der BFH entschied, dass bei den als Aufwand geltend gemachten Unterhaltszahlungen an die im Ausland lebende Ehefrau weder die Bedürftigkeit noch die Erwerbsobliegenheit der Ehefrau zu prüfen sei. Denn anders als bei Unterhaltszahlungen an Verwandte werde der Ehegattenunterhalt zivilrechtlich auch jenseits der Bedürftigkeit geschuldet. Dies folge daraus, dass der haushaltsführende Ehegatte nicht verpflichtet sei, zunächst seine Arbeitskraft zu verwerten. Er erfülle seine Verpflichtung in der Regel durch die Führung des Haushalts.

Sachverhalt 2: bedürftige Verwandte
Seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben hat der BFH im Fall der Unterhaltszahlungen an Verwandte. Ein Ehepaar hatte 3 erwachsene Kinder und deren jeweils 3 minderjährige Kinder in der Türkei unterstützt. In Abkehr von der abstrakten Betrachtungsweise sei die Bedürftigkeit der unterhaltenen Person jeweils konkret zu bestimmen und könne nicht unterstellt werden. Wichtig hierbei ist: Bei der konkreten Betrachtungsweise sei auch zu berücksichtigen, dass für volljährige Kinder eine generelle Erwerbsobliegenheit bestehe. Mögliche Einkünfte aus einer unterlassenen Erwerbstätigkeit könnten deshalb der Bedürftigkeit entgegen stehen, falls eine Erwerbstätigkeit zumutbar sei. Und weiter: Bei landwirtschaftlich tätigen Angehörigen greife die widerlegbare Vermutung, dass diese nicht unterhaltsbedürftig seien, soweit der landwirtschaftliche Betrieb in einem nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaates üblichen Umfang und Rahmen betrieben werde.

Konsequenz
Während es beim Ehegatten einfacher wird, dürfte der vom BFH verlangte Nachweis der Bedürftigkeit von Verwandten in der Praxis schwierig zu erbringen sein. Ob die Verwaltung eine Übergangsregelung schafft, bleibt abzuwarten.


10. Steuerfreiheit für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeitszuschläge

Kernproblem
Die neben dem Grundlohn an einen Arbeitnehmer gewährten Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit sind unter bestimmten Voraussetzungen ganz oder teilweise von der Einkommensteuer befreit. Als Grundlage für die Bemessung des steuerfreien Zuschlags dient der Grundlohn, höchstens jedoch ein Betrag von 50 EUR je Stunde. So kann der steuerfreie Zuschlag zwischen 25 % (bei Nachtarbeit) oder 150 % (an den Weihnachtstagen) des Grundlohns betragen. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist u. a., dass die Zuschläge nicht Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte, auch an Sonn- und Feiertagen oder nachts geleistete Tätigkeit sind. Gerade bei Lohnsteuer-Außenprüfungen werden häufig "Pauschalvereinbarungen" aufgedeckt, die dann zu einem bösen Erwachen führen.

Sachverhalt
Im Streitfall beschäftigte die Inhaberin eines Autohofs ihre Arbeitnehmer in wechselnden Schichten rund um die Uhr. Ziel der Vergütungsregelung war es, einen gleichbleibenden Arbeitslohn pro tatsächlich geleisteter Arbeitsstunde zu erreichen. Für den Fall, dass auf der Grundlage des Basisgrundlohns und unter Berücksichtigung der steuerfreien Zuschläge der vereinbarte Nettostundenlohn nicht erreicht wurde, gewährte sie als Variable eine sog. Grundlohnergänzung. Das Finanzamt wollte die Steuerfreiheit der Zuschläge nicht gewähren und die Inhaberin für die nachzufordernde Lohnsteuer in Haftung nehmen.

Entscheidung des BFH
Der BFH war anderer Meinung. Die Zuschläge für geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit blieben auch dann steuerfrei, wenn sie in einen zur Glättung von Lohnschwankungen durchschnittlich gezahlten Stundenlohn einkalkuliert werden. Die Vereinbarung eines durchschnittlichen Effektivlohns habe zwar zur Folge, dass sich ein immer gleichbleibender Auszahlungsbetrag pro Stunde ergäbe. Das bedeute jedoch nicht, dass die Zuschläge pauschal und damit ohne Rücksicht auf tatsächlich geleistete Arbeitsstunden berechnet würden. Die vom Gesetz verlangte Trennung von Grundlohn und Zuschlägen werde nicht deshalb aufgehoben, weil der Grundlohnergänzungsbetrag variabel gestaltet sei. Es handele sich bei dem Vergütungssystem um eine zulässige Gestaltungsform in Ausnutzung der rechtlichen Möglichkeiten.

Konsequenz
Der BFH macht folgende Kernaussage: Die Beteiligten haben es - bis an die Grenze des Gestaltungsmissbrauchs - in der Hand, durch vertragliche Vereinbarung von einer gesetzlich zulässigen Steuerbefreiung in möglichst hohem Maße Gebrauch zu machen.



11. Absetzbarkeit alternativer Heilbehandlungen

Kernproblem
Steht hinter alternativen Behandlungsmethoden häufig ein Jahrtausende altes Wissen, das nicht als minderwertig betrachtet werden darf? Mit solchen und anderen Argumenten musste sich das FG Münster beschäftigen, als es um den Abzug außergewöhnlicher Belastungen ging.

Sachverhalt
Ein Ehepaar hatte für sich und die beiden Kinder Kosten alternativer Heilbehandlungsmethoden geltend gemacht. Die Tochter litt an unerklärlichen Ohnmachtsanfällen, das andere Kind an Lese- und Rechtschreibschwäche, die wiederum auf psychischen oder physischen Störungen beruhte. Bei der Tochter hätte die Behandlung durch Schulmediziner Übelkeit, Hautausschläge, Erbrechen und Kopfschmerzen hervorgerufen. Bei der Mutter waren Müdigkeitserscheinungen und Eisenmangel der Anlass für Aufwendungen von insgesamt 8.000 EUR für Lerntherapien, energetische Heilbehandlung, Feng-Shui-Arbeiten und spirituelle Lebensberatung. So interessant der Sachverhalt auch sein mag: Gerade beim Versagen des Abzugs außergewöhnlicher Belastungen wird häufig lapidar auf den Amtsarzt verwiesen.

Entscheidung
Die Richter setzen auch in diesem Fall ein vor der Behandlung ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches medizinisches Gutachten für die Anerkennung voraus, aus dem sich die Krankheit und die medizinische Notwendigkeit der Behandlung zweifelsfrei ergeben. So verlange es der BFH bei solchen Maßnahmen, die nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienten und deren medizinische Erforderlichkeit daher schwer abzuschätzen sei. Ein Verzicht hierauf sei nur ausnahmsweise dann möglich, wenn der Steuerpflichtige die Notwendigkeit einer vorherigen Begutachtung objektiv nicht erkennen oder der Amtsarzt anhand erstellter und nachprüfbarer medizinischer Untersuchungen die Notwendigkeit der Behandlungen nachträglich noch zuverlässig beurteilen könne. Die im Streitfall vorgetragene Lese- und Rechtschreibschwäche stelle nur dann eine Krankheit dar, wenn die Schwäche auf einer isolierten Störung der für das Lesen und Schreiben notwendigen Wahrnehmungsfunktion (Hirnfunktionsstörung) beruhe.

Konsequenz
Die Revision wurde nicht zugelassen. Ob das richtig ist, mag dahinstehen. Das Ergebnis - nicht der Sachverhalt - erinnert an eine Entscheidung früherer Jahre: Tierarztkosten, die wegen der Diabetes-Erkrankung eines Hundes angefallen sind, der auf Anraten des Arztes zur Behandlung einer Erkrankung des Steuerpflichtigen angeschafft wurde, sind jedenfalls dann nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, wenn die Notwendigkeit des Hundes zur Behandlung der Krankheit nicht durch ein vorheriges amtsärztliches Attest nachgewiesen wurde.


12. Kfz-Nutzung: 1 %-Methode nur wenn Arbeitgeber private Nutzung zulässt

Kernaussage
Überlassen Arbeitgeber ihren Angestellten betriebliche Kfz, so wird die private Nutzung regelmäßig mit Hilfe der 1 %-Methode versteuert. Ist den Angestellten die private Nutzung untersagt, so unterbleibt eine Besteuerung. Allerdings verlangt die Finanzverwaltung die Dokumentation der Befolgung dieses Verbots, z. B. durch den Nachweis der Überwachung durch den Arbeitgeber. Fehlte diese, wurde trotz des Verbotes eine private Kfz-Nutzung versteuert, da nach der Rechtsprechung des BFH der Anscheinsbeweis für eine private Nutzung spreche.

Sachverhalt
Der Kläger beschäftigte 80 Mitarbeiter. Hierunter war auch sein Sohn, der nicht nur das höchste Gehalt bezog, sondern auch den teuersten Firmenwagen nutzte. Arbeitsvertraglich war ihm die private Nutzung untersagt, ein Fahrtenbuch führte er jedoch nicht. Das Finanzamt unterstellte daher die private Nutzung des Kfz und setzte Lohnsteuer fest.

Entscheidung
Während das Finanzgericht noch unter Berufung auf die allgemeine Lebenserfahrung der Ansicht des Finanzamtes folgte, teilt der BFH diese Auffassung nicht. Er sieht mangels konkreter Feststellung weder Argumente, die für, noch solche, die gegen eine private Nutzung des Kfz sprechen. Der vom FG bemühte Anscheinsbeweis kann eine solche fehlende Feststellung nicht ersetzen. Das Verfahren wurde daher an die erste Instanz zurückverwiesen.

Konsequenz
Unter Betriebsprüfern ist es sehr beliebt, in Ermangelung tatsächlicher Feststellungen Hinzuschätzungen mit der allgemeinen Lebenserfahrung zu begründen. Diese Betrachtung ist nicht nur zumeist äußerst subjektiv, sondern lässt auch die konkrete betriebliche Realität außer Betracht. Für die Betroffenen ist es schwierig, sich gegen solch pauschale Behauptungen zu wehren. Damit dürfte nun Schluss sein. Allerdings bedeutet dies nicht, dass nun die Beweislast alleine beim Betriebsprüfer liegt. Im vorliegenden Fall wird auch der Unternehmer seinen Teil dazu beitragen müssen, plausibel darzulegen, dass eine private Nutzung unterblieben ist. Beweisvorsorge ist daher unverändert nötig. Jedoch kann nun die Beweislast durch die Finanzverwaltung mittels Verweis auf die allgemeine Lebenserfahrung nicht mehr einseitig auf die Unternehmen abgewälzt werden.


13. Keine einzelvertragliche Kürzung gesetzlicher Kündigungsfristen

Rechtslage
Das Arbeitsrecht sieht in einer Einzelregelung vor, dass die gesetzlichen Kündigungsfristen durch Arbeitsvertrag verkürzt werden können. Das Landesarbeitsgericht Hessen hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob diese gesetzliche Einzelmöglichkeit auf alle gesetzlichen Kündigungsfristen, also insbesondere diejenigen, die Verlängerungen in Abhängigkeit von der Betriebszugehörigkeit vorsehen, anwendbar ist, oder ob sie sich nur auf die gesetzliche Grundkündigungsfrist (= 4 Wochen zum 15. oder Ende eines jeden Monats innerhalb der ersten 2 Jahre eines Arbeitsverhältnisses) bezieht.

Sachverhalt/Entscheidung
Das Arbeitsverhältnis des Klägers konnte laut seines Arbeitsvertrages mit einer Frist von 4 Wochen zum Monatsende gekündigt werden. Nach rund vierjähriger Beschäftigungszeit kündigte der Arbeitgeber am 1.10. zum 31.10.. Hiergegen wandte sich der Kläger mittels Kündigungsschutzklage und gewann. Die Kündigung konnte erst zum 30.11.2008 wirksam werden. Die vertragliche Verkürzung der gesetzlichen (sich in Abhängigkeit zur Betriebszugehörigkeit verlängernden) Kündigungsfristen ist unwirksam, weil die gesetzlich vorgesehene Verkürzungsmöglichkeit lediglich eine Abweichung von der Grundkündigungsfrist des BGB erlaubt. Andernfalls würde das gesetzliche Ziel, dass Arbeitnehmer mit zunehmender Beschäftigungsdauer sozial schutzbedürftiger sind, unterlaufen. Das Gericht sah außerdem keine unzulässige Diskriminierung nicht tarifgebundener Arbeitnehmer. Zwar kann durch Tarifvertrag auch von den verlängerten Kündigungsfristen abgewichen werden. Diese Sonderregelung sei aber gerechtfertigt, weil die Tarifvertragsparteien gleich starke Gegenspieler darstellen und daher von einer angemessenen Gesamtregelung auszugehen sei.

Konsequenz
Dort, wo keine abweichenden Tarifverträge bestehen, sind die verlängerten gesetzlichen Kündigungsfristen für Arbeitsverhältnisse nicht frei abänderbar.


14. Kinder müssen Elternunterhalt trotz Streit und fehlendem Kontakt leisten

Rechtslage
Die gesetzlichen Unterhaltspflichten orientieren sich an der Abstammung. Damit sind auch Kinder gegenüber ihren Eltern zum Unterhalt verpflichtet, es sei den im Verhältnis Unterhaltsberechtigter/Unterhaltsverpflichteter kommt es zu einem schuldhaften Fehlverhalten. Leistet der Sozialhilfeträger an die Eltern, kann er diesen Unterhaltsanspruch auf sich überleiten und den Unterhalt unmittelbar vom Kind fordern. Der Bundesgerichtshof hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob Verfehlungen des Elternteils gegenüber dem Kind den Unterhaltsanspruch ausschließen können.

Sachverhalt
Der Sozialhilfeträger nahm den Sohn auf Unterhalt gegenüber seiner Mutter in Anspruch. Die Mutter hatte ihren Sohn aufgrund einer schizophrenen Erkrankung nie elterlich versorgen können. Seit über 30 Jahren bestand kein Kontakt mehr zwischen den beiden. Gegen die Inanspruchnahme wandte der Sohn ein, wegen der Nichtversorgung durch die Mutter stelle eine Unterhaltspflicht eine unbillige Härte dar und unterlag.

Entscheidung
Der BGH sprach dem klagenden Sozialhilfeträger gegen den beklagten Sohn einen Anspruch auf Zahlung von Elternunterhalt für dessen leibliche Mutter aus übergegangenem Recht zu. Eine psychische Erkrankung, die dazu geführt hat, dass der pflegebedürftige Elternteil der früheren Unterhaltsverpflichtung seinem Kind gegenüber nicht gerecht werden konnte, stelle kein schuldhaftes Fehlverhalten mit der Konsequenz eines Anspruchsverlustes dar. Die vom Gesetz geforderte familiäre Solidarität rechtfertigte es infolgedessen nicht, dass die schicksalhafte Krankheit der Mutter und deren Auswirkungen dazu führen können, die Unterhaltslast dem Staat aufzubürden. Etwas Anderes hätte nur dann gelten können, wenn ein erkennbarer Bezug zu einem Handeln des Staates vorgelegen habe. So hatte der BGH in einem Ausnahmefall einen Elternunterhaltsanspruch abgelehnt, weil der Vater aufgrund eines Weltkriegstraumas nicht in der Lage war, zunächst für sein Kind aufzukommen.

Konsequenz
In der Regel wird der Anspruch auf Elternunterhalt, wenn die Eltern nicht mehr selber für sich aufkommen können, nicht abzuwenden sein. Dies gilt selbst dann, wenn die Eltern zunächst ihrer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht oder unzureichend nachgekommen sind.


15. Vertragliche Pflichtverletzung bei Abwerben von Patienten zur Konkurrenz

Kernfrage/Rechtslage
Grundsätzlich stellt das Abwerben von Kunden und deren Mitnahme zu einem Konkurrenzunternehmen bei einem Stellenwechsel einen erheblichen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten dar, der auch zur fristlosen Kündigung berechtigen kann. Das Bundesarbeitsgericht hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob eine fristlose Kündigung möglich bleibt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in eine (hier: wirtschaftliche) Zwangslage gebracht hat.

Sachverhalt
Die Klägerin war bei dem beklagten ambulanten Pflegedienst tätig. Nachdem sie eine "Überlastungsanzeige" eingereicht hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis. Am darauf folgenden Tag kündigten 7 von der Klägerin betreute Patienten ihre Verträge mit der Beklagten. Die Klägerin begann ihre Tätigkeit bei einem Konkurrenzunternehmen. Die Beklagte nahm daraufhin ihre Kündigung zurück und forderte die Klägerin auf, Konkurrenztätigkeiten zu unterlassen. Nachdem ein Patient tatsächlich zum Konkurrenten gewechselt war, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich. Später erfuhr sie, dass die Klägerin sich als Leistungsanbieter für ambulantes Wohnen selbstständig machen wollte. Deswegen kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut fristlos, hilfsweise ordentlich.

Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht erklärte die fristlosen Kündigungen für unwirksam, die erste ordentliche Kündigung jedoch für wirksam. Die Klägerin habe durch die Weitergabe von Patientendaten an den Konkurrenten gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen (= erste Kündigung). Anders als dieses Abwerben von Patienten sei die Antragstellung auf Zulassung als Leistungsanbieter im ambulant betreuten Wohnen jedoch nicht als Pflichtverletzung anzusehen (= zweite Kündigung), weil hiermit noch keine aktive Wettbewerbstätigkeit verbunden sei. Fristlose Kündigungen seien nicht möglich gewesen: zwar hätten gewichtige Umstände zu Lasten der Klägerin vorgelegen, allerdings habe die Beklagte die Klägerin durch die zurückgenommene Kündigung zuvor in eine finanzielle Zwangslage gebracht, was bei einer Interessenabwägung zu berücksichtigen sei. Für eine ordentliche Kündigung seien die Umstände zu Lasten der Klägerin allerdings ausreichend.

Konsequenz
Den Grundsatz, dass dem Arbeitnehmer jede Konkurrenztätigkeit zu Lasten des Arbeitgebers verboten ist und eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt, ist unangetastet geblieben. Allerdings hat ihn das Bundesarbeitsgericht insoweit aufgeweicht, als dass es eine Interessenabwägung für erforderlich hält.


16. Geringere Abfindungshöhe durch schuldrechtliche Nebenabrede

Kernaussage
Die Gesellschafter einer GmbH können im Wege einer schuldrechtlichen Nebenabrede im Interesse der Gesellschaft abweichend von einer Satzungsbestimmung eine geringere Abfindungshöhe für den Fall des Ausscheidens aus der Gesellschaft vereinbaren. Die Gesellschaft kann aus der Vereinbarung der Gesellschafter, die einen Vertrag zugunsten Dritter darstellt (§ 328 Abs. 1 BGB), eigene Rechte herleiten.

Sachverhalt
Der Kläger war Gesellschafter und Geschäftsführer der beklagten GmbH. Mit privatschriftlichem Gesellschafterbeschluss aus 2002 wurde ein von den Satzungsbestimmungen abweichender Berechnungsmodus für die Abfindungshöhe im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters bestimmt. In der Gesellschafterversammlung in 2006 wurde sodann beschlossen, dass der Kläger seinen Geschäftsanteil gegen Abfindung nach Maßgabe des Beschlusses aus 2002 zu übertragen habe. Gegen diesen Beschluss erhob der Kläger Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage und begehrte nach Übertragung des Geschäftsanteils an die Beklagte Zahlung einer Abfindung gemäß der Berechnung in der Satzungsbestimmung. LG und OLG gaben der Klage teilweise statt.

Entscheidung
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache an einen anderen Senat des OLG zurück. Das Berufungsgericht hat den Vortrag der Beklagten zur wirtschaftlichen Notwendigkeit einer Abfindungsbegrenzung im Interesse der Aufrechterhaltung des Mitarbeiterbeteiligungsmodells, zum Einvernehmen der Gesellschafter über die Begrenzung der Abfindung und zu der Rolle des Klägers als Urheber, Initiators und Verfechter des Gesellschafterbeschlusses aus 2002 nicht zur Kenntnis genommen. Das OLG hat damit den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Gesellschafter können grundsätzlich Rechtsverhältnisse in oder zu der Gesellschaft auch außerhalb des Gesellschaftsvertrages durch schuldrechtliche Nebenabreden regeln. Ein Formerfordernis besteht insoweit i. d. R. nicht. Diese Vereinbarung bindet generell die Vertragsparteien. Sie stellt einen sog. Vertrag zugunsten Dritter dar, aus dem die Gesellschaft (als Dritte) eigene Rechte herleiten kann. Ferner hat der Kläger sich möglicherweise widersprüchlich i. S. d. § 242 BGB verhalten.

Konsequenz
Der BGH hat nunmehr bestätigt, dass Gesellschaftervereinbarungen zulässig sind und zugunsten der Gesellschaft Wirkung entfalten. Damit wurde Rechtssicherheit geschaffen. Zur Vermeidung der Publizität von Abfindungsvereinbarungen können die Gesellschafter somit die Klausel nur rein schuldrechtlich vereinbaren. Widersprüche zwischen der Gesellschaftervereinbarung und dem Gesellschaftsvertrag sind dabei zu vermeiden, ggf. ist der Vorrang der Nebenvereinbarung festzuhalten und zu erklären, ob die Klausel zugunsten der Gesellschaft Wirkung entfalten soll.


17. Solidaritätszuschlagsgesetz für Veranlagungszeitraum 2007 ist nicht verfassungswidrig

Kernaussage
Nach der im Streitjahr 2007 geltenden Fassung des Solidaritätszuschlagsgesetzes wird zur Einkommen- und Körperschaftsteuer ein Solidaritätszuschlag von 5,5 % der Bemessungsgrundlage als Ergänzungsabgabe erhoben. Im Jahr 1972 hatte das Bundesverfassungsgericht bereits grundsätzlich zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Ergänzungsabgaben Stellung genommen und entschieden, dass eine zeitliche Befristung nicht zu deren Wesen gehört. Nunmehr hatte sich das Gericht im Rahmen eines Normenkontrollantrags mit der Frage zu befassen, ob das Solidaritätszuschlagsgesetz in der für 2007 geltenden Fassung verfassungswidrig ist.

Sachverhalt
Das Finanzamt hatte gegenüber dem Kläger für den Veranlagungszeitraum 2007 einen Solidaritätszuschlag festgesetzt. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Sprungklage mit der Begründung, das Solidaritätszuschlagsgesetz in der für 2007 geltenden Fassung sei verfassungswidrig, denn eine Ergänzungsabgabe könne nur ausnahmsweise und nicht auf Dauer erhoben werden. Das Finanzgericht Niedersachsen hatte die Frage im Normenkontrollverfahren dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.

Entscheidung
Das Bundesverfassungsgericht lehnte den Antrag als unzulässig ab; das Finanzgericht habe sich nicht hinreichend mit der Rechtsprechung zum Wesen der Ergänzungsabgabe beschäftigt und die erforderliche sorgfältige Prüfung unterlassen. Das vorlegende Gericht muss hierbei insbesondere die bereits ergangenen Entscheidungen und die ihnen zugrunde liegenden Erwägungen berücksichtigen. Zwar hat sich das Bundesverfassungsgericht inhaltlich noch nicht mit dem Solidaritätszuschlagsgesetz auseinander gesetzt, in einer grundsätzlichen Stellungnahme zu den Ergänzungsabgaben hat es aber entschieden, dass es von Verfassungs wegen nicht geboten ist, eine derartige Abgabe von vornherein zu befristen oder nur für einen kurzen Zeitraum zu erheben. Das FG argumentierte, mit dem Beitritt der DDR sei ein auf viele Jahre nicht absehbarer Finanzbedarf für den Bundeshaushalt eingetreten. Es ließ aber unberücksichtigt, inwieweit eine Erhöhung der Einkommens- und Körperschaftssteuer, die sowohl dem Bund, als auch den Ländern zugute kommt, eine Alternative zum Solidaritätszuschlag ist, der ausschließlich dem Bund zusteht. Das FG meinte auch, eine Finanzlücke könne nicht dauerhaft durch eine Ergänzungsabgabe geschlossen werden. Vielmehr sei dafür eine Steuererhöhung notwendig. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts kann aber ein Mehrbedarf allein des Bundes bestehen. Eine Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftssteuer komme aber auch den Ländern zugute. Aufgrund der Länderbeteiligung würde dies zu einer überhöhten und damit konjunkturpolitisch unerwünschten Belastung führen, der auf Länderseite auch kein Bedarf gegenüber stehe.

Konsequenz
Nach den Ausführungen des Gerichts ist nicht zu erwarten, dass bei einem zulässigen Antrag eine andere Entscheidung in der Sache ergeht. Da beim Bundesfinanzhof noch weitere Verfahren anhängig sind, in denen die Vereinbarkeit der Festsetzung des Solidaritätszuschlags mit dem Verfassungsrecht bezweifelt wird, bleibt die Frage aktuell.




Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen


Stephan Gißewski

Steuerberater


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